Um elf Uhr haben wir uns in der Klinik verabredet. Die Phsychologin erwartet mich und bringt mich zu den Eltern. Zwei kleine Lausbuben sitzen bei Ihrer Schwester auf dem Bettchen und lauschen der Geschichte von Hänsel und Gretel, die Mama gerade vorliest. Eine kleine Spieluhr aus Filz summt dazu unermütlich. Die beiden Jungs haben sich sofort in mich und die Kamera verschossen. Zeit, spielt heute keine Rolle. Eine innere Ruhe trägt mich durch die nächsten 3 Stunden, die ich hier mit der Familie und Laira verbringe. Es wird gelacht und geweint. Der kleine Albert versteht ” Baby hat Aua”. Ein Eichhörnchen kuschelt Laira – es gehört den Brüdern. Ob es Laira behalten darf steht noch nicht ganz fest. Bis jetzt, denn ich habe Sternenbärchen dabei. Mein Vorschlag für die Jungs: sie bekommen ein Sternenbärchen, wenn Laira das Eichhörnchen behalten darf. Es gibt kein halten mehr. Die Jungs sind begeistert und haben die Bärchen sofort ins Herz geschlossen. Der Deal ist besiegelt.

Wer hat eigentlich größere Füße? Janick oder Laira? Das müssen wir herausfinden. Ich verliere natürlich die Wette, dass Laira die größeren Füße hat. Für Janick war das ganz klar.

Jetzt wollen wir noch Abdrücke von Händchen und Füßen machen. Die Jungs suchen die Farben aus und freuen sich ihre Laira anmalen zu dürfen. Wir bekommen tatkräftige Unterstützung von der Stationsschwester. Laira ist rot, blau, grün angepinselt. Über die Farbklekse lachen wir später noch, denn sie bleiben an allen Händen der Familienbande zurück.

Nach 1 1/2 Stunden ist es für die Brüder Zeit zu gehen. Die Mama sucht zwischendurch immer wieder einen innigen Moment mit Ihrer Tochter. Durch das Beisein der Jungs, sind die Familienmomente natürlich sehr lebhaft. Deshalb biete ich den Eltern an in der Klinik zu warten, bis sie die Jungs bei der Tante abgegeben haben. Das gibt uns die Möglichkeit noch ein paar Momente zu Dritt festzuhalten. In der Zwischenzeit mache ich mich auf den Weg in den Kreissaal, um mich nach den Zwilligen Freya und Freyr zu erkundigen. Laira blieb in diesen Tagen nicht der einzige Call. Zurück bei den Eltern auf der Kinder ITS folgen innige Momente, bis es auch für mich Zeit ist zu gehen. Der Mittwoch rückt immer näher.

Mittwoch 04.11

Heute reist Laira zu den Sternen. Ich sitze im Büro und denke daran, in welchen Moment wohl die Maschinen still stehen. Um 13.00Uhr piepst das Handy. ” Wir sind soweit. Laira ist von uns gegangen”.

Ich mache mich auf den Weg in die Klinik. 15 Minuten später treffe ich auf die Stationsschwester. Es ist alles gut. Die Eltern sind gefasst und wir können uns Zeit nehmen so lange wir brauchen.

Da liegt sie – die kleine Laira. Eingepackt in meiner Decke und dem Mützchen, welches ich gestern nach dem fotografieren da gelassen habe. Jetzt liegt mir auch der Kloß im Hals. Die Eltern waren gestern noch einkaufen und haben farblich passend zur Decke Kleidung für Laira gekauft.

Ich mache die ersten zwei Bilder von Laira. Der Raum wirkt heute so anders – kühl und still. Wir brauchen eine andere Räumlichkeit. Von meinen letzten Sterncheneinsätzen weiß ich, dass es ein Zimmer mit einer Couch gibt – ohne Geräte. Die Eltern sind einverstanden die Räumlichkeit zu wechseln.

Wir bekommen ein Arztzimmer mit Klappbett. Er ist nicht sehr groß, aber mit ein paar Decken und bunten Kissen wird es schnell etwas gemütlicher. Die gemalten Bilder der Brüder finden als Hintergrund Platz an der Wand. Jetzt kann gekuschelt werden.

Erinnerungen werden wach. Der Blasensprung während des Schwimmbadbesuchs mit den Jungs, dass Döner essen danach unter den ersten Wehen – man muss sich ja nochmal stärken – Lachen.

Dann die Geburt – Tränen.

Abschied.

Zurück im Stationszimmer liegt Laira wieder auf dem Bett. Noch einmal streiche ich über ihre Wangen.

Ich frage mich kurz, was jetzt mit der Decke ist. Ich kann sie Laira nicht wegnehmen. Also lass ich sie da. Du bist es wert.

Kleine Laira, leuchte hell für deine Familie. Du Glücksmoment von kurzer Dauer.

© Jana Maiwald, 2020